Köln, 14. Juli 2023 — Die Bundesregierung bestätigt in ihrem aktuellen Strategiepapier: Ohne China geht es nicht. Die Verflechtungen der Produktion und der Märkte sind eng – in beide Richtungen. Deutschland und Europa brauchen den chinesischen Markt, aber China ist auch auf die europäischen Absatzmärkte angewiesen.
Dennoch: Unternehmen sollten in eigener Verantwortung ein Klumpenrisiko vermeiden. Das ist nichts anderes als der Verweis auf das klassische unternehmerische Konzept des Double- oder Multiple Sourcing. Dabei bleibt China ein wichtiger Partner der Wirtschaft, und wird doch politisch zunehmend kritisch gesehen: Die offensive Aktionsweise des chinesischen politischen Systems wird von der Bundesregierung als massiver Störfaktor und Risikofaktor auch für die Wirtschaftsbeziehungen wahrgenommen. An der One-Belt-One-Road-Initiative wird man sich nicht beteiligen, dafür das Engagement in anderen Weltregionen und auch in Ländern Asiens verstärken. Unternehmen sollen sich sicherheitspolitischen Erwägungen öffnen, ihr Engagement in China soll nicht mehr durch staatliche Mechanismen abgesichert sein. Keine Privatisierung von Gewinnen bei dem Risiko der Sozialisierung von Verlusten – wie genau die Unterstützung der Politik für die Unternehmen im Auslandsengagement aussehen soll, bleibt aber unklar. Auch der renommierte Ökonom Marcel Fratzscher verweist darauf, dass offen bleibe, ob die Bundesregierung das Primat der Wirtschaft der Außenpolitik gegenüber China verfolge und vieles unbestimmt bleibe und unklar sei, wie die Ziele der Bundesregierung auf europäischer Ebene vertieft und verfolgt werden sollen. Betont wird in der China-Strategie der Bundesregierung aber, die Chinakompetenz in der Breite stärken zu wollen und den Austausch auf verschiedenen Ebenen zu fördern: Man darf gespannt sein, mit welcher auch materieller Unterstützung der Politik die Annäherung an dieses Ziel erfolgen soll.
Als DCW machen wir uns für offene Grenzen, den ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen und den respektvollen Umgang der Marktpartner untereinander stark. Gerade angesichts der grundlegenden Veränderungen der internationalen Strukturen ist es wichtig, weiterhin im guten Gespräch und im gewinnbringenden Austausch zu bleiben. Klar, Asien ist viel mehr als China, auch Indien und die ASEAN bleiben im Blick. Aber Asien ist wirtschaftlich derzeit eben vor allem China, und diese Volkswirtschaft ist für Deutschland seit Jahren nicht nur wichtigster Handelspartner, und für deutsche Unternehmen essenzieller Absatz- und Beschaffungsmarkt, sondern inzwischen für einige Bereiche auch ein Innovationstreiber, der seine Standards zu setzen versucht. Angesichts dieser Bedeutung der Volksrepublik wird die Suche nach alternativen Märkten mit ähnlich großen Potenzialen und mit den entsprechenden Lieferketten für viele deutsche Unternehmen mit großen Herausforderungen verbunden sein. So berichten Unternehmen derzeit, dass die Verlagerung der Lieferketten bei ihnen zu zeitlichen Verzögerungen, Kostensteigerungen und Qualitätseinbußen führt.
Bei der Lösung globaler Herausforderung ist die Volksrepublik auch wirtschaftlich durch ihre verschiedenen Initiativen als Player inzwischen zu bedeutend, um ignoriert zu werden. In der Gesamtschau gilt es für Unternehmen aus beiden Ländern, das Gesichtsfeld zu erweitern und Risiken im eigenen Geschäft zu minimieren, siehe die eingangs festgestellte unternehmerische Globalstrategie. Für das Engagement deutscher und auch chinesischer Unternehmen kann ein solches „De-Risking“ zum stabilisierenden Faktor werden. Allerdings sollte die Risikominimierung auch nicht überbetont werden, sonst wird sie in China schnell als Synonym für eine Abkoppelung verstanden werden. Hier ist geschickte Diplomatie gefragt. Gleichzeitig können Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen mit ihrer China- bzw. Deutschlandkompetenz zur Stabilität der internationalen Beziehungen beitragen: Was in dem Papier fehlt, sind die konkreten Ansätze der Unterstützung durch die nationale Politik, die sich hier aber gezielt in die Pflicht nehmen lassen muss.
Die DCW wird ihren Beitrag als politisch unabhängige Vereinigung leisten und weiterhin für das Verständnis und für die Verbesserung des wirtschaftlichen Klimas für Unternehmen aus beiden Kulturkreisen arbeiten, und steht auch der deutschen Politik für die angestrebten Konsultationskreise mit ihrer Fachkompetenz gerne zur Verfügung. Die Hauptveranstaltung der DCW, der Deutsch-Chinesische Wirtschaftstag (DCWT) 2023 am 31. Oktober, wird das Thema Sicherheit als eines von zwei Schwerpunktthemen aufgreifen und erste Praxiserfahrungen mit der Implementierung der regierungsamtlichen Chinastrategie erörtern.
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